16. Eine lange Reise nach Hause

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Der Boden der Kabine rüttelte, während das grelle Licht des Teleportzaubers erschien. Einen kurzen Moment später war es dann auch schon weg. Genau wie er. 
Der Dämonenbeschwörer. 

Der Held stand einen Moment reglos dort und dachte kurz über Xardas nach. Die Kajüte schien noch relativ unberührt, immer noch von ihrem Luxus unberaubt. Nur eine goldene Staubwolke legte sich in der Luft, welche Stück für Stück verblasste. 
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Gorn mit seiner „Racheaxt“ stand am Türrahmen. Der Held sah ihn fragend an, mit der linken Augenbraue angehoben. 
Gorn wartete nicht, ihm zu erklären: „Wir haben etwas Krach von der Kajüte hier gehört. Wir dachten schon, hier wär’ die Kacke am Dampfen.“ 
Gorn sah dann irritiert der Staubwolke entgegen, die fast verschwunden war und wandte sich wieder dem Helden zu: „Sag mal … was hast du denn hier getrieben? Putzdienst? Oder wo kommt dieser komische Staub her?“ 
„Ich …“, der Held wollte gerade darauf antworten, als von draußen die Stimme des Kapitäns durchdrang: 
„DIE HÖHLE STÜRZT EIN!!“ 

Die beiden Männer stürmten nach draußen und sahen, wie Teile der gespenstischen Grotte Irdoraths einstürzten, scheinbar kam das Zentrum der Zerstörung vom Inneren der Insel und begann langsam auch die Bucht zu erreichen. 
„FESTHALTEN!!“, brüllte der Kapitän. Das Schiff ragte nun bereits zur Hälfte aus dem Ausgang, welcher zuvor als Eingang diente. Der Held suchte sich im Gang zur Kajüte Schutz, ebenso Gorn. Sie spürten beide einen Aufprall, der das gesamte Schiff erschütterte. Sie versuchten das Gleichgewicht zu behalten, ehe sich beide nach draußen wagten, um zu sehen, was geschehen war. Ein massiver Fels war neben dem Schiff im Wasser aufgekommen, das Schiff selbst schien aber nicht getroffen worden zu sein. Das Schiff trieb weiter und weiter Richtung Ausgang, bis … 
„WIR SIND RAUS!! WIR HABEN ES GESCHAFFT!“, ertönte es vom erfreuten Kapitän. 

Die ganze Crew atmete erleichtert auf. Sie fingen an, einige kleineren Schäden am Schiff zu beseitigen. Es mit der Armee des untoten Drachen aufzunehmen war das eine. Mit einem einstürzenden Tempel dann doch das andere. Schließlich konnte man sich vor ersterem wehren … 
Einige Stunden später waren sie inzwischen wieder auf hoher See unterwegs. Ob es nun Glück oder ein Segen der Götter war, froh waren alle so oder so darüber, dass die Mannschaft überlebt hat. 
„Wo gehst du hin?“, fragte Gorn den Helden, der sich wieder Richtung Kajüte begab. 
„Meine Mütze Schlaf nachholen.“, entgegnete jener knapp und wandte sich ab. 

7 Tage später: 

„Er ist jetzt schon seit Tagen kaum zu sehen.“, merkte Milten an, während er mit seinen Freunden Diego, Gorn und Lester an einem Tisch in der Küche saß und die gefühlt hundertste Fischsuppe kostete. So langsam hing es ihnen zum Hals raus. 
Auf der anderen Seite stand ein weiterer, größerer Tisch, an dem der Rest der Crew, Lee, Lares, Vatras, Pedro und der Kapitän speisten. 
„Als ob ihn was beschäftigen würde.“, stimmte Diego mit mehrfachem Nicken zu. 
„Über wen redet ihr überhaupt?“, fragte Angar, der die Räumlichkeit betrat und sich dem Herd zuwandte und sich eine Kelle der Suppe auf einen Teller schöpfte. 
„Na, über unseren Freund, den Drachentöter. Er schaut kaum noch raus aus seiner Kajüte.“, antwortete Diego. 
„Ich sah ihn zuletzt vor einer Woche, so selten kommt der raus.“, fügte Gorn hinzu. „Irgendeine Scheiße muss in dem Tempel passiert sein.“ 
„Und was könnte das gewesen sein?“, fragte Diego. 
„Na, vielleicht hat ihn der untote Drache irgendwie manipuliert. So wie Mario! Vielleicht kämpft er gerade gegen seinen Einfluss …“, meinte Lester besorgt. 
„Ach, Schwachsinn.“ Diego winkte bei der Vorstellung bloß mit der Hand ab. „Der hat doch allein auf der Insel so viele Suchende geklatscht, die dasselbe versucht haben.“, fügte er hinzu. 
„Aber ein untoter Drache mit der Macht, so viele Schergen um sich zu scharen ist nochmal etwas ganz anderes.“, schmatzte Gorn. Milten kam die Übelkeit etwas hoch, jedes Mal, wenn er sah, wie Gorn die nächste Fischsuppe verdrückte als wäre es nichts. Zum Teil war er auch etwas neidisch … 
„Meint ihr nicht, ihr solltet einfach mal zu ihm gehen und ihn fragen?“, Lee seufzte und sah nun zu den Freunden herüber. „Ich meine, ihr spekuliert wie die Wilden, aber vielleicht hat er seine Gründe. Vielleicht ist er auch einfach ausgeleiert, nachdem er Tausende dieser verdammten Echsenmenschen, Orks und Kapuzentypen beseitigen musste. Nicht zu vergessen; Die Drachen!“ 

„Ja, das stimmt, leicht war das nicht.“ 
Alle sahen nun zum Türrahmen. Der Held stand dort, aber jener wendete seinen Blick dem Herd am Ende des Raumes zu. Er seufzte: „Schon wieder Fischsuppe … Warum immer Fischsuppe?“ 
„Muss halt so sein, seit ein gewisser jemand die Vorräte geleert hat …“, brummte Diego und richtete seinen Blick auf Gorn. Dieser entgegnete den Blick und antwortete gespielt unschuldig: „Ich hatte Hunger … Und so toll waren die Vorräte auch nicht.“ 
Der Held entgegnete: „Ja, aber wenigstens hielten sie satt. Mehr als diese Suppen.“ 
Dann brach es aus Milten heraus: „Wo bist du eigentlich geblieben, Freund? Wir alle machen uns Sorgen …“ 
„Habe ich gehört. Auch eure Vermutungen hier.“, der Held atmete durch. „Xardas hat uns vermutlich verraten.“ 
„WAS?!“, stieß Milten aus, Vatras sah zum Helden hoch und fragte ebenso überrascht: „Wie kommst du auf diese Schlussfolgerung, mein Sohn?“ 
„Das ist eine lange Geschichte …“, antwortete der Held, worauf alle ihm Blicke zuwarfen. Er fügte eilig hinzu: „Jaja, ich erzähl schon …“ 

Und das tat er. Er erzählte alles, was Xardas mit der Leiche des untoten Drachen tat und was er ihm in der Kajüte sagte. Als er fertig war, herrschte eine ungewohnte Stille im Raum. Manche schienen nachzudenken, andere schienen besorgt. Milten und Vatras war beides in ihre Gesichter geschrieben. 
Diego brach irgendwann die Stille: „Also … steht der Dämonenbeschwörer nun mit Beliar im Bunde?“ 
„Nein. Zumindest versicherte er mir, er diene ihm nicht.“, entgegnete der Held. „Also, was ist jetzt?“, dabei wandte er sich der Runde zu: „Erst meint ihr, mit mir stimmt was nicht. Jetzt wisst ihr alles, aber sagt nichts.“ 
„Tja, wir sind so ratlos wie du. Aber gut ist das nicht.“ 
„Ach was.“, entgegnete der Held sarkastisch. 
„Die Frage ist doch, was hat er da genau gemacht? Für mich klingt das ganz so, als hätte er dem untoten Drachen seine Macht oder seine Seele … entnommen.“, sprach Milten mit einem verunsicherten Unterton. 
„Seele genommen? Komm schon, Milten …“, zweifelte Diego. 
„Der junge Feuermagier hat Recht.“, ertönte Vatras’ Stimme nun. „Er trägt wahrscheinlich die Macht Beliars in sich.“ 
„Die Frage ist, was er damit vorhat. Wenn der Dämonenbeschwörer nicht Beliars willenloser Diener werden will, wofür tut er das? Für Macht?“, fragte Milten. 
„Nein. Er meinte, das wäre der Avatar Beliars gewesen … Und es ist gut möglich, dass auch der Schläfer der Avatar Beliars war. Zumindest deutete der untote Drache das bei unserem Gespräch an …“, fügte der Held hinzu. 
„Was? Aber … Dann wollte Xardas vielleicht einfach diesen Zyklus stoppen. Bevor Beliar erneut irgendwelche Diener ruft und ihnen seine Macht verleiht.“, überlegte Milten. 
„Das ist ein wahrscheinliches Motiv.“, Vatras nickte zustimmend. „Aber was wird er nun damit tun?“ 
„Das werden wir wohl erst sehen, wenn wir auf dem Festland sind. Nach Khorinis hat er sich wohl kaum teleportiert.“ 
Es herrschte einige Augenblicke erneut eine Stille im Raum. Diesmal unterbrach sie Gorn: „Also … Zum Festland dann?“ 
„Zum Festland.“, sprach der Held bestimmend. 

3 Tage später: 

„Hey, Lester!“, rief Milten ihm zu, als jener an ihm vorbeigehen wollte. Er hob die Hand an und winkte ihn zu sich. 
Lester trat näher: „Ja, bitte?“ 
„Nein, nein, die Waffe mit BEIDEN Händen am Griff festhalten. So wie du das machst, verlierst du nur unnötig den Schwung, um einem die Fresse zu polieren.“, brummte Gorn Pedro im Hintergrund an. Die beiden trainierten zusammen mit Girion an diesem ruhigen Tag auf See, um nicht aus der Übung zu kommen. Inzwischen hatte jeder, nach einigen Untersuchungen von Vatras und Milten, eingesehen, dass Pedro kontrolliert wurde, wie die Besessenen auf Khorinis. Zwar herrschte immer noch Misstrauen, aber alle dachten, sie könnten jede Hilfe brauchen, sollte es gegen die Orks oder Xardas gehen, wenn sie auf dem Festland ankommen. 
„Wie geht es dir? Deine Kopfschmerzen scheinen ja wirklich weg zu sein, wie du sagtest.“, fragte Milten und musterte Lester dabei ein wenig. 
„Ja, das stimmt. Ah, so gut habe ich mich schon ewig nicht mehr gefühlt … Wenn man mal außer Acht lässt, dass ich alles Sumpfkraut schon geraucht habe.“, er seufzte. 
Milten grinste: „Wäre ja nicht das erste Mal, mein Freund, nicht wahr?“ 
Auch Lester konnte es sich nicht verkneifen: „Das stimmt. Hoffentlich haben die auf dem Festland auch so klasse Zeug wie auf Khorinis. Auch, wenn ich glaube, dass nichts das Zeug vom Sumpf schlägt.“, er lachte auf. 
Miltens Gesichtszüge verdunkelten sich: „Darüber … wollte ich mit dir reden. Ich weiß nicht, ob du weiterhin Sumpfkraut konsumieren solltest.“ 
Lester runzelte die Stirn: „Wieso das?“ 
Milten zögerte kurz, dann druckste er etwas herum: „Nunja. Komm mit. Reden wir darüber mit Vatras.“ 
Lester folgte ihm etwas irritiert, die beiden kamen in Vatras‘ Stube an. Jener schien auf die beiden zu warten. Es kam eine kurze Stille auf, ehe Milten fortfuhr: 
„Also … Es ist nicht ganz sicher und es ist nur eine Theorie, aber … Sicher ist: Laut unserem Stand sind viele der Suchenden, vor allem auf Khorinis, ehemalige Mitglieder der Bruderschaft.“ 
„Ja, und?“ 
„Hast du dich nie gefragt, wie das passiert ist?“ 
„Na, wir haben den Schläfer angebetet. Für viele Jahre. Was sonst?“ 
„Schon, ja.“, Milten nickte. Dann ließ er ein Seufzen von sich. „Aber du vergisst etwas: Ihr wurdet vom Schläfer zum Sumpf gerufen. Und das wegen dem Sumpfkraut, zum Beispiel.“ 
„Wegen dem Sumpfkraut?“, Lester hob beide Brauen an, dann lachte er kurz. „Du meinst, der Dämon wollte, dass wir bekifft herumlaufen, während wir ihn lobpreisten?“ 
Sowohl Vatras, als auch Milten schienen weniger amüsiert. Nun meldete sich Vatras zu Wort: 
„So lächerlich das auch klingt, mein Sohn, aber ja. Das Sumpfkraut hat eine besondere Eigenschaft: Es öffnet deinen Geist und lässt magiebegabte oder spirituell empfängliche Menschen … Nun, wie man’s nimmt. Diese können zwar eine neue spirituelle Ebene erreichen, aber sind ebenso verletzlich für korrumpierende Einflüsse.“ 
Lester nickte: „Ja, das haben die Baals auch gesagt, dass ihnen das Kraut ermöglichte, mit dem Schlä- …“, er stockte, dann schaute er schockiert auf Vatras und Milten: „Oh nein.“ 
Milten nickte bedächtig: „Leider ja. Das ist der Grund, wieso ich … WIR dir raten, mit dem Kraut aufzuhören.“ 
„Aber mein Freund, ich bin doch gar nicht mehr anfällig auf die Lehren des Schläfers. Um ehrlich zu sein, war ich es noch nie so besonders.“ 
Vatras wankte mit dem Kopf: „Das ist wahr. Das ist der einzige Grund, wieso Anhänger wie du oder Angar das Fiasko überstehen konntet. Im Gegensatz zum Rest. Und auch, wenn der untote Drache besiegt scheint, vergiss nicht, dass der Dämonenbeschwörer nun die Macht Beliars in sich hat. Du musst deinen Geist schließen, mein Sohn, denn sonst könnte … Adanos weiß was passieren.“ 
Lester schwieg einen Moment, dann winkte er ab: „Ich verstehe eure Sorgen, aber vertraut mir. Sowas passiert mir nie wieder. Ich pass schon darauf auf.“ 
„Aber-…“, setzte Milten an. 
„Milten, bitte.“, unterbrach ihn Lester. Seine Stimme blieb zwar ruhig im Ton und doch hatte sie nun eine Ernsthaftigkeit an sich, die Milten selten erlebte. 
„Ich möchte nicht mehr darüber nachdenken. Glaub mir … sowas vergisst man nicht so einfach. Und ich habe vor, daraus zu lernen. Das Kraut ist das einzige, das mir hilft, damit klarzukommen. Also, bitte, sorge dich nicht, mein Freund.“, er drehte sich dann wortlos um und wandte sich wieder nach draußen an Deck. 
Sowohl Milten, als auch Vatras tauschten sowohl besorgte, als auch nachdenkliche Blicke aus, ehe Milten einmal zum Abschied nickte und sich ebenso wieder an Deck begab. 

Einen Monat später: 

Der Held starrte auf die See, die sich vor seinen Augen zeigte. Er beobachtete die Wellen, wie sie an das Backbord schlugen. Gedanklich war er jedoch woanders. Bei seinen Albträumen, die er in letzter Zeit hatte. Wo seine Gefährten tot in einem schwarzen Hauch von Nebel lagen und am Ende des Leichenpfades stand er. 
Dort stand Xardas. Es endete immer auf dieselbe Weise, mit den Worten: „Du magst die Barriere zerstört haben und die Drachen und ihren Möchtegerngeneral Raven besiegt haben, aber weiter kommst du nicht. Für deine Hilfe, mir die Macht Beliars zu verleihen, werde ich dir einen schnellen Tod geben. Und nun STIRB!“, donnerte Xardas‘ Stimme und ebenso der gewaltige Blitzschlag, der auf den Helden zusteuerte. 
War er wirklich dafür verantwortlich? So, wie er Tod und Zerstörung über Khorinis brachte nur für seine eigene Freiheit? 
Nein, das ist nicht wahr. Er hat den Schläfer besiegt, das hätte das Ende der Welt bedeutet. 
Aber ohne ihn hätten ihn Cor Kalom und seine Anhänger nie gefunden. Er wäre nie kurz vor dem Erwachen gewesen. Nur durch seine Vernichtung kamen die Drachen und mit ihnen der Tod unzähliger im Minental von Khorinis. Und wenn die Orks es geschafft haben, durch den Pass zu brechen, womöglich auch vieler Leben auf Khorinis. 
Wird es nun nur noch schlimmer, wo Xardas diese Macht hat? 

In all diesen Gedankengängen brannten sich einige Sätze ganz besonders ein: 

Nicht einmal die Götter wissen, was das Schicksal für uns bereithält … 

Du wirst zurückkehren … aber du wirst … keine Ruhe finden … 

Ein einzelner Gefangener hatte das Schicksal von Hunderten geändert … 

Dunkelheit zieht über das Land … Das Böse wird triumphieren … 

Mutige Gefährten … Du wirst eine WAHL treffen … 

BELIAR HAT MICH ERWÄHLT … 

Und ich habe seine Macht in mir aufgenommen … 

Der König … wird den Krieg gegen die Orks … VERLIEREN! 

„Argh, verdammt!“, brummte Gorn. Zwei Würfel zeigten schon wieder 6.  „Schon wieder über 20. Wie kommst du jedes Mal auf über 20, hm?“, wandte er sich nun Diego zu. Auch Lester und Milten sahen zu jenem rüber, ersterer fügte hinzu „Ja, da stimmt doch was nicht!“ und letzterer fragte: „Welchen Trick wendest du an, mein Freund?“. Diego hob beide Hände in Unschuld und grinste zugleich: „Hey, Jungs, kommt schon. Was denkt ihr von mir? Ich habe fair gewonnen, so wollte es das Schicksal.“ Und mit einer Handbewegung nahm er sich die Geldbeutel der Freunde und von Lares, die in der Mitte des Kreises lagen und begann abzuzählen. 
Lares mischte sich lachend dazu: „Ach, Jungs. Soll ich euch mal was verraten? Selbst WENN Diego Tricks anwendet, würde er es nie zugeben, geschweige denn –…“ 
Ein lauter Ruf des Kapitäns unterbrach ihn: „LAND IN SICHT!!“ 
Endlich, dachten sich alle Anwesenden. Seit Wochen schon auf See aber immer noch nicht auf Land gewesen. Alle hatten die Schnauze voll von der Seereise, die meisten von ihnen waren bereits etwas entkräftet im Vergleich zu ihrer Reise zum Beliartempel. 
Nacheinander trafen sie an Deck ein. Der Kapitän wandte sich Lester zu: „Hey, übernimm du mal eben das Steuer … Ich muss mir mal die Karte mit dem Sextanten anschauen, damit ich weiß, wo genau wir gerade auf der See sind.“ Und wandte sich ab, ehe Lester irgendwas entgegnen konnte. Milten klopfte ihm auf die Schulter: „Komm, mein Freund, ich stehe dir zur Seite.“ 
„Du wirkst so beunruhigt.“, bemerkte Lester. 
„Ach … So vieles im Moment.“ 
„Was denn?“ 
„Zum einen, dass wir jetzt wohl bald da sind, aber Gerüchten zufolge die Orks den Krieg gewinnen. Zum anderen …“ 
„Ja?“, fragte Lester, während er die Hände an das Steuerrad legte. 
„Ich kann in letzter Zeit meine Magie nicht mehr wirken. Meine Runen … sie sind nutzlos.“ 

 
Diego und Gorn näherten sich dem Helden, der sich an der Reling anlehnte und Richtung Westen schaute. Daraufhin deutete der Held auf die düstere Landmasse, die sich zeigte. Neben den Feuern und der, selbst aus der Entfernung, sichtbaren Zerstörung der Hauptstadt Vengards tat der Himmel, der sich durch den Sonnenaufgang golden färbte, sein Übriges dazu, ein ziemlich mieses Bild zu zeichnen. 
„Was ist hier passiert?!“, fragte Diego. 
„Ich hab‘ ein echt mieses Gefühl …“, murmelte Gorn besorgt. 
„Wem sagst du das … Der letzte Scheiß …“, Diego nickte zustimmend. 
Der Held schwieg einige Augenblicke lang, ehe er entschlossen sprach: „Lasst es uns herausfinden!“ 
„Wir sollten nicht alle auf Land gehen. Zuviel Aufmerksamkeit auf uns ziehen ist nicht das klügste in solchen Zeiten.“, riet ihm Diego. 
„Du hast Recht.“, der Held nickte, dann rief er über das Schiff durch: „Diego, Milten, Lester, Gorn und ich fahren mit einem Boot an die Küste und …“, er wurde durch den gewaltigen Donner unterbrochen. Alle horchten auf und sahen nach Vengard, wo sich nun eine gewaltige, blaue Kugel sichtbar machte. 
„Eine Barriere?!“, stieß Milten schockiert aus. 
„Sieht wohl echt nicht so gut aus dort, wenn die den Schritt wagen.“, kommentierte Diego. 
„Die lernen es aber auch nie.“, Gorn murrte. 

Etwas später: 

Das Boot legte an den Strand fernab der Hauptstadt, vor dem Fischerdorf Ardea, an. Die Freunde sprangen raus und auf den sandigen Boden. Alle schienen etwas erleichtert, aber Gorn machte seine Erleichterung bekannt: „ENDLICH richtiger Boden unter den Füßen. Auf dem Schiff war es schon bald nicht mehr auszuhalten.“ 
„Wem sagst du das …“, Lester schien ebenso erleichtert. 
Der Held hob die Hand und winkte alle nach vorne: „Kommt!“ 

Die Freunde gingen den steilen Weg zum Dorf hoch. Gorn sah sich mehrfach um, als er begann, sich beobachtet zu fühlen: „Irgendwas stimmt hier nicht.“ 
„Was du nicht sagst …“, entgegnete Diego und ließ ebenso den Blick schweifen. „Wir werden beobachtet.“ 
„Von wem?“, fragte Milten und sah sich ebenso um. 
„Von Fischern, wie es aussieht. Oder … was auch immer das da vorne für ein abgemagerter Lump sein soll. ICH SEH DICH!“, rief Gorn ihm zu. 
„Sei still.“, sprach der Held und zog das Schwert. Er näherte sich einem Felsbrocken und sprang vor den abgemagerten, jungen Mann im weißen Leinenhemd, der sich dahinter verkrochen hatte. Dieser schreckte auf und hielt die Hände vor sein Gesicht. Komplett verblasst und verängstigt sah er zum Helden hoch: 
„Bitte, Herr, ich wollte nicht … ich bin nur … die Orks …“, er wimmerte, versteckte sein Gesicht vor Scham und kauerte in sich zusammen. 
Lester legte eine Hand auf die Schulter des Helden: „Der hat genug. Lass ihn. Er hat Angst.“ 
Der Held nickte und steckte die Klinge irritiert wieder ein. Dann folgte er dem Pfad weiter zum Dorf hoch und blieb, zusammen mit den 4 Freunden am Eingang stehen. 
„Bei Innos …“, murmelte Milten leise. 
Vor den Freunden bot sich ein befremdlicher Anblick. Und einer, der jedem anderen Menschen, die nicht dieselben Erfahrungen durchgemacht haben, das Herz höherschlugen ließ. 

Orks. 

Sklaven. 

Es mussten Sklaven sein. Menschen, mindestens genauso abgemagert und misshandelt wie der letzte, die von den Orks herumgestoßen werden. Sie schienen anders als die Orks auf Khorinis, aber niemand hatte die Nerven oder die Zeit, um darüber nachzudenken. 
Ein Ork musterte die Menschen. Sie schienen nicht augenblicklich anzugreifen, aber die Anspannung war in den Freunden viel zu hoch, um auch darüber Gedanken zu verschwenden. Der Ork kommentierte amüsiert: 
„Ihr seht kräftig aus …“, woraufhin Gorn ausspuckte. 
Am Tisch in der Mitte des Dorfes standen zwei Orkkrieger. In der Mitte ein weiterer Ork in schwerer Rüstung und einem Umhang, scheinbar der Anführer. Jener sah zu den neu dazugekommenen Menschen hoch, verzog das Gesicht in Abscheu, aber auch Verwunderung und hob die Stimme an: 
„Xardas hat angeordnet, dass ALLE Morras zu den Grabungen gebracht werden.“, der Orkoberst ließ vom Tisch ab. 
„Und IHR seht mir aus wie MORRAS!“, die Stimme des Orks bebte nun förmlich. Er hob die Hand und zeigte mit dem Finger in die Richtung der Freunde und vor allem auf den Helden in der Mitte. 
„Nur ein toter Ork ist ein guter Ork!“, rief Diego und zog seinen Degen. Auch die anderen Freunde zogen ihre Waffen. 
Der Orkoberst schaute ihnen grimmig entgegen: „Unterwerft euch!“ 
Der Held schaute der kleinen Orkarmee düster entgegen: „Lasst uns Orks jagen …“ 
„AUF SIE!!!“ 

Und so kehrten die Gefangenen der ehemaligen Strafkolonie, die Gefährten, die den Beschwörungstempel Irdorath entweiht haben, nach langer Zeit wieder zurück. Zurück nach Hause. Oder was davon übrig war. Und wieder war ich in einem neuen Konflikt gefangen. Und diesmal musste ich mich entscheiden … in einem letzten Abenteuer. 
Aber das … ist eine andere Geschichte. 

Autor: Gregox