16. Durch diese Axt herrsche ich.

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Ich habe dich auf einem Bild gesehen. Dein Anblick machte mich ratlos. Du hast darauf die Augen eines Kriegers, aber längst das weiße Haar des Alten. Das Bild zeigte mir nicht, ob du groß bist oder wie gut du ein Schwert hältst. Das Bild ist bedeutungslos. All diese Dinge werde ich erfahren, wenn ich dir selbst gegenüberstehe oder deine Leiche in den Trümmern deines Palasts finde. Als ich zum ersten Mal von dir hörte, war ich sehr viele Sommer jünger als heute, aber bereits ein Krieger. Brüder, die heute tot sind, nahmen mich mit sich in das Gebirge der Nordmarer. Der Hunger trieb uns an. Sie sagten mir, dass hinter dem Gebirge ein reiches, warmes und vor allem fruchtbares Land liegt. Ihre Worte waren wahr. In jenen Tagen sah ich es selbst. Auf dem Weg hinab in dieses Land kämpften wir mit den Kriegern des Nordmar-Gebirges. Obwohl ihre Statur leichter war als unsere, waren sie ebenso hart. Ich fragte meine Brüder, wie die Häuptlinge dieser Krieger lebten, und sie erzählten mir, es sei wie bei uns und doch anders. Ich fragte sie: „Anders auf welche Art?“ Und sie erklärten mir, dass selbst Häuptlinge von so mächtigen Kriegern wie denen eures Gebirges einen haben, der über ihnen steht. „Wie kann es einen Häuptling der Häuptlinge geben?“, fragte ich mich. Es müsste ein Krieger von so großer Ehre sein, dass alle Stämme seines Landes ihn anerkennen und ihm folgen. Der Gedanke ließ mich staunen. Wie würde ein solcher Häuptling aller Häuptlinge diesen Stand erlangen? Wäre er es seinem Volk nicht ein Land schuldig, welches nichts Geringeres wäre als das, was du Königreich nennst?

Gebannt von diesem Gedanken, unternahm ich alles, um diese Form der Ehre und diesen Stand selbst zu erlangen. Ich einte die Krieger meines Volkes, um ihnen ein Land zu schenken, das besser zu uns sein würde, als die karge Steppe unserer Heimat. Ich einte die Krieger aller Stämme, um dieses Land zu verdienen, mit Blut, Schweiß und Stahl. Es dauerte viele Sommer, bis ich Häuptling der Häuptlinge geworden war, wie du es bist. Noch viele weitere Sommer sollte es dauern, bis ich heute hier stehen würde. Hier, an der Seite meines Heeres, auf den Hügeln über deiner Stadt. All die anderen Städte haben wir dir und den deinen entrissen. Doch noch immer weiß ich wenig mehr über dich. Aus deinen Stämmen haben sich Krieger meinem Heer angeschlossen, die zu mehr taugen, als zu Morras. Sie erkennen meine Herrschaft an. Doch kein Wort will ich von ihnen über dich hören und sie heute auch nicht an meiner Seite haben. Wir töteten deine Männer und sie starben mit deinem Namen auf den Lippen. Manche verfluchten dich, anderen bot er Trost. Ich kenne die Bürde solcher Führerschaft. Dass wir so lange brauchten, um bis hier herzukommen, und uns einmal sogar der Macht eines eurer Dämonenbeschwörer bedienen mussten, spricht für dich. Es steckt keine Ehre in Magie auf dem Schlachtfeld. Sie ist der Weisheit der Schamanen vorbehalten und sie bekommen ihre Ehre vom großen Geist. Und dennoch sind wir jetzt hier. Ich stehe auf dem Hügel vor deiner Stadt und betrachte deine steinerne Festung. Auf meinem Befehl hin werden meine Krieger gegen deine Mauern branden, wie die stürmische See gegen eine brüchige Klippe. Heute wird mit deinem Tod deine Herrschaft enden. Dieses Land braucht nur einen Häuptling aller Häuptlinge. Wenn ich dich sehe, werde ich wissen, worauf sich deine Herrschaft stütze. Denn durch diese Axt herrsche ich.

Noch immer schweigen die orkischen Krieger ehrfürchtig beim Anblick ihres unbestrittenen Anführers. Aus der Asche der Lagerfeuer zeichneten die Schamanen den Kriegern heilige Symbole in die Gesichter, die sie heute zum Sieg über das Menschenreich tragen sollen. Kans stoischer Blick wendet sich von Vengard ab, als er im Licht der langsam untergehenden Sonne seine Axt hebt und den Angriff befiehlt.