#6: Propaganda: Rebellen

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Wofür wir kämpfen? Für Recht und Ordnung!

Es ist noch keine hundert Jahre her, da war Myrtana überzogen von Kriegen und Konflikten. Aber Innos sandte uns seinen Erwählten, den Heiligen Rhobar, um das Land zu einen.

Innos ist der Gott der Ordnung. Er hat einen Plan für diese Welt. Er will sie nicht im Chaos und in der Gewalt versinken lassen wie sein finsterer Bruder. Wir Menschen sind seine Erwählten, wir alle haben einen Platz in seiner Ordnung und jeder von uns hat einen Wert in den Augen Innos‘, wenn er nur seinen Platz kennt und sich nicht gegen die göttliche Ordnung auflehnt. Die Menschen sind nicht gleich. Aber sie haben doch alle ihren Wert, ein jeder an seinem Orte. Denke doch an die Schergen Beliars, die Orks und die Assassinen, für sie hat ein Menschenleben keinen Wert, solange ein Mensch ihnen nicht nützt. Innos hat jedem seine Aufgabe zugewiesen. Ein jeder hat dem großen Ganzen zu dienen, ein jeder ist dafür da, die Menschheit voranzubringen und die Ehre des Herrn zu mehren. Natürlich können nicht alle gleich sein, wie sollte dies funktionieren? Innos wollte es, dass die Menschen als Mann und Weib geboren werden. Der Mann arbeite, der Mann schütze Heim und Reich. Die Frau gebäre, die Frau pflege Heim und Familie. Eintracht und Harmonie kann es nur geben, wo nicht der eine des anderen Platz einzunehmen sucht, sondern jeder sich in seine Pflichten ergibt. Innos erwählt einen König, um an seiner statt über die Menschen zu herrschen und ihnen seine heilige Ordnung zu bringen. Innos lässt einige wie mich als Adlige geboren werden, um unter der weisen Oberhoheit unseres Königs dieses Land zu regieren und die Menschen anzuleiten. Wir schwelgen nicht in unserer Macht, wir missbrauchen sie nicht wie die Kriegsherren der Orks oder die reichen Händler der Wüste, die nur durch Gewalt oder Ausbeutung herrschen und willkürlich schalten und walten. Nein, wir Adligen haben die Herrschaft nicht einfach erlangt, ohne auf sie vorbereitet zu sein, sondern wir wurden geboren, um zu herrschen. Von Kindesbeinen an hat mein Vater mich auf diese Verantwortung vorbereitet, wie zuvor sein Vater ihn. Wir herrschen nach Recht und Gesetz. Wir sorgen dafür, dass die Ordnung Innos‘ erhalten bleibt und alle Menschen miteinander leben können, weil niemand seinen angestammten Pflichten zuwiderhandelt. Anderen war es durch die Weisheit des Herrn beschieden, nicht als Adlige, sondern als Bauern oder Handwerker geboren zu werden. Sie sollen nicht klagen, sondern arbeiten zum Wohlgefallen des Herrn. Und sie sollen wissen: Auch sie sind wichtig. Auch auf sie ist im göttlichen Plan gerechnet. Wir brauchen die Arbeit der Bauern, um zu leben. Aber so wie der Körper seine Arme braucht, braucht er auch seinen Kopf. Und die Arme sollen nicht gegen den Kopf klagen und aufbegehren! Haben wir denn je das Volk unbillig behandelt? Gewiss war die Arbeit zuletzt hart, gewiss waren die Abgaben zuletzt hoch. Aber diese Unbill haben uns die Orks aufgezwungen, als sie uns mit Krieg überzogen. Ein jeder musste Opfer bringen, um das Reich zu schützen. Gewiss war die magische Barriere eine harte Maßnahme. Aber war sie je ungerecht? Wurden nicht nur die Verbrecher zur Arbeit in die Minenkolonie verbannt? Hatte nicht ein jeder sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben? Auch hier war es der Krieg, der den König zu schweren Entscheidungen zwang. Das Volk klage nicht! Es sei dankbar, dass es einen weisen Monarchen wie Rhobar II. hat, der bereit ist, auch schwere und unpopuläre Entscheidungen zu treffen und die harte Last der Regentschaft zu tragen!

Die Menschen vergessen heute gerne, dass das Reich vor dem Krieg prosperierte. Die Städte waren reich, die Tempel prächtig, das Handwerk und der Seehandel blühten. Die Leute konnten in Frieden leben. Waren nicht dank der königlichen Soldaten die Straßen sicher? Heute kommen wilde Bestien aus den Wäldern und Banditen lauern auf den Wegen. Was tun die Orks, um das Reich außerhalb der von ihnen besetzten Städte zu sichern? Waren die Ortschaften nicht frei von Verbrechen, als alle verworfenen und schlechten Menschen von der königlichen Garde nach Khorinis gebracht wurden, als weise Gesetze herrschten? Heute dienen ehemalige Verbrecher den Orks als Söldner und versklaven ehrbare Männer, berauschen sich am schädlichen Sumpfkraut, das eine weise Regierung aus dem Reich verbannt hatte, und ich höre, dass auf den Straßen kein Weib mehr sicher ist, das nicht auf seine Ehre Verzicht tut und einem dieser Schändlichen zu Willen ist, um es nicht allen sein zu müssen. Hatten die edlen Paladine uns nicht befreit vom fürchterlichen Blutkult in unserer Mitte? Nun, da die Orks an der Macht sind, kriechen die letzten Schwarzmagier, die dem Schwert der Gerechtigkeit entkamen, aus ihren finsteren Grüften und wandeln schamlos unter Innos‘ Sonne auf offener Straße. Ist dies die Welt, in der du leben möchtest?

Und vergessen wir auch nicht den Rest der Welt! Heute klagen andere Völker über uns, danken es den Orks, dass sie ihretwegen unser angebliches Joch abstreifen konnten. Welch Undank! Ja, wir haben Kriege geführt. Und Krieg kostet Blut. Unser Blut und das der Feinde. Aber war unser Krieg je ungerecht wie der Überfall der Orks auf uns oder der Überfall Zubens vor Jahren? Nie haben wir Krieg geführt, um zu unterjochen. Sondern stets nur, um zu befreien und um auch anderen Völkern die heilige und beseligende Ordnung Innos‘ zu bringen! Die Menschen vergessen schnell das Gute, das man ihnen tat. Haben wir nach dem Varantkrieg nicht die Sklaverei von ihnen genommen? Und die Nomaden der Wüste, haben wir sie nicht wieder in Freiheit durch ihr Land ziehen lassen, nachdem die Assassinen über Jahrzehnte Jagd auf sie gemacht hatten? Oder die Südlichen Inseln: Haben wir nicht die ewigen Streitigkeiten zwischen den dortigen Fürsten beendet, die so viele Jahrhunderte währten? Haben wir nicht den Barbaren Nordmars die Zivilisation gebracht? Und vor allem: Brachten wir der Welt nicht Frieden? Die Menschen sind nun einmal nicht von Natur aus gut. Ihre Seelen mögen von Innos stammen, doch ihr Fleisch ist beschmutzt mit dem Makel Beliars, getrieben von Gelüsten, vom mitleidlosen Eigennutz. Die Menschen schließen von sich aus keinen Frieden, das haben so viele Jahrhunderte Geschichte gezeigt. Überlasse den Menschen sich selbst und du hast den Krieg aller gegen alle. Nur das Schwert kann Frieden bringen. Nur ein starker Souverän, der alle Gewalt allein in seinen Händen hält und sie weise gebraucht, konnte die Welt befrieden. Ja, wir führten Krieg. Den letzten Krieg. Den Krieg, um alle Kriege auf immer zu beenden. Und wir waren dem Ziel so nahe… Unter der starken Hand König Rhobars II. war zum ersten Mal seit Urzeiten die gesamte Menschheit geeint. Alle Länder am Myrtanischen Meer unter einem Herrn. Ein Reich, ein König, ein Gott – und eine Zukunft! Gemeinsam hätten wir ein neues Zeitalter des Friedens, des Fortschritts und des Wohlstands einläuten können. Wenn nicht die Orks uns angegriffen hätten. Aber es ist noch nicht zu spät. Dies ist eine Prüfung Innos‘. Die Menschen müssen sich gegen ihren letzten gemeinsamen Feind vereinen. Werden wir geschlagen, gehen wir unter. Aber siegen wir jetzt, werden wir nie wieder zum Schwert greifen müssen!

Dafür kämpfen wir: Für Recht und Ordnung. Für die Zukunft der Menschheit.

– Herzog Ullrick von und zu Montera

 

Rebellen? Du meinst die Banditen. Ja, für mich sind es Banditen. Was tun sie denn? Sie lehnen sich gegen ihre Herren auf. Sie verstecken sich in Höhlen und Wäldern und überfallen die Leute. Ist das nicht, was Banditen tun?

Ja ja, sicher schwingen sie irgendwelche hochtrabenden Reden. Sicher behaupten sie, dass sie für die Freiheit und die alte Ordnung und für uns einfache Menschen kämpfen. Aber ich sag dir jetzt mal was über diesen ganzen Mist:

Es sind nicht die Orks, die unter den Rebellen zu leiden haben. Ja klar, manchmal wird auch eine Orkpatrouille überfallen. Aber es ist doch bekannt, was die Rebellen hauptsächlich machen: Sie plündern Höfe und reisende Händler aus wie gemeine Banditen. Sicher rechtfertigen sie das damit, dass sie Vorräte für ihren gerechten Kampf brauchen. Und dass diese Händler und Bauern mit den Orks zusammenarbeiten. Aber was sollten die auch sonst tun? Jeder sieht eben zu, wo er bleiben kann. Oder soll jedermann sein Leben wegwerfen und zu den Rebellen in die Wälder flüchten? Wozu? Unter den Orks lebt es sich doch nicht schlechter als unterm König. Und wenn doch, dann sind daran doch die Rebellen auch nicht unschuldig. Ja, es war schrecklich, als hier in den vergangen Wochen dieser Folterknecht der Orks unter den Sklaven gewütet hat, bis er die Spione der Rebellen und ihr Versteck gefunden hatte. Aber sind daran nicht auch die Rebellen Schuld? Sie sagen, dass sie für die Sklaven kämpfen, aber die Sklaven sind die ersten, die unter ihrem Kampf zu leiden haben. Die Rebellen sollen doch einfach aufgeben. Waren zehn Jahre Krieg nicht genug? Wir könnten endlich Frieden haben, wenn nur die Rebellen endlich ihre Waffen niederlegen würden. Die Orks sind auch nicht grausam oder unbillig gegen ihre besiegten Feinde, das weiß jeder. Sie töten ihre Feinde nur im Kampf. Wehrlose zu töten, die sich ergeben haben, würde doch gegen ihre Ehre gehen. Ja, sie versklaven die, die sich ihnen nicht unterworfen haben. Aber so schlecht ist das Leben als Sklave der Orks nicht einmal. Bestimmt nicht schlechter als das eines der armen Schweine, die früher in die magische Barriere verbannt wurden, nur weil sie ihre Steuern nicht bezahlen konnten oder mal heimlich einen Stängel Sumpfkraut probiert hatten. Die Orks geben ihren Sklaven zu essen und lassen sie ausruhen nach harter Arbeit. Sie lassen sie sogar bei den Arenakämpfen zusehen. Und stell dir vor, ich habe gehört, in Montera zahlen sie den Sklaven sogar den Bordellbesuch. Kannst du dir das vorstellen? Und die Sklaven können sich ja auch selbst in der Arena die Freiheit erkämpfen und dann sogar Orksöldner werden!

Und ich sag dir noch was: Ich will die alte Ordnung gar nicht zurück. Mir gefällt die neue Ordnung, die die Orks errichtet haben. Wir Menschen sind doch so frei, wie wir es noch nie waren in Myrtana. Niemand wird mehr weggesperrt, nur weil er dem falschen Gott huldigt oder verbotene Schriften liest oder mit Sumpfkraut handelt. Aber es stimmt nicht, dass die Orks gar keine Verbrechen verfolgen. Gegen richtige Verbrecher gehen sie hart vor. Sie haben an all ihren Orksöldnern, die anfangs über uns Frauen herfallen wollten, ein Exempel statuiert. Ich fühle mich heute völlig sicher in der Stadt, weil die Orks hart, aber gerecht durchgreifen. Ja, natürlich verlangen die Orks auch Abgaben. Aber was soll es uns normale Leute scheren, ob wir unsere Abgaben an den Tempel und die Krone entrichten oder an die Orks? Irgendwer ist immer oben und irgendwer ist immer unten, so ist die Welt halt. Den arroganten Paladinen und Magiern bei den Rebellen passt doch in Wahrheit nur nicht, dass jetzt nicht mehr sie den Ton angeben, sondern dass zur Abwechslung mal sie im Dreck leben müssen. Ich sehe sie richtig vor mir, die adligen Säcke, die auf Kosten ihrer Bauern immer dicker und fetter geworden sind, wie sie jetzt gegen die Orks wettern, weil es statt gewürzter Scavengerkeule und Klosterwein jeden Tag jetzt mal auch für sie nur altes Brot und schales Wasser gibt. Ich sag’s dir: Manche sind eben oben, andere unten. Das wenigstens wird sich nie ändern. Aber ich verrate dir mal, was sich wohl geändert hat: Heute kannst du dein Schicksal selber in die Hand nehmen. Guck mich doch an. Nach dem Tod meines Vaters führe ich jetzt seine Schmiede. Und die Meister der Zunft wüten und toben wegen ihrer Traditionen. Früher hätte ich als Frau heiraten müssen und mein Mann hätte dann die Schmiede weiterbetrieben. Die Zunft hätte ihre Regeln mit Hilfe der Stadtwache und des Tempels durchgesetzt. Aber die Orks geben nichts auf diese verstaubte Zunftordnung. Sie fragen nur danach, ob jemand schmieden kann. Oder guck dir die Söldner an. Warum folgen sie den Ork denn so begeistert? Die meisten von denen wären doch für Kleinigkeiten in der Barriere gelandet oder hätten sich als arme Knechte auf irgendwelchen Höfen kaputtgeackert. Heute können sie was aus sich machen. Und guck dir mal an, wie ihre Frauen rumlaufen. Die tragen Goldketten und funkelnde Ohrringe! Dabei waren die meisten von denen doch nur arme Mägde oder so. Die hätten sich das doch vor ein paar Jahren nie träumen lassen, dass sie mal rumlaufen können wie geputzte Bürgersfrauen oder sogar wie die adligen Fräulein!

Und noch eins sage ich dir: Die Orks mögen ein Volk von Kriegern sein, aber so komisch es klingt, ich glaube, dass sie mit Myrtana ganz zufrieden sind. Sie werden nicht versuchen, die Wüste oder andere fremde Länder in der Ferne zu erobern. Und das ist gut so. Wie lange hat Myrtana unter all den Kriegen leiden müssen? Wie vielen Familien hat der König ihre Söhne geraubt, nur um die ganze Welt zu erobern? Wofür denn? Was hatten wir denn je in diesen fremden Reichen zu suchen? Andere Völker auf der Welt sind sicher ganz glücklich damit, wenn sie sich selber um ihre Angelegenheiten kümmern können. Keiner hat uns je gebeten, in fremde Reiche einzumarschieren. Muss denn immer und ewig Krieg sein? Wenn es nach den Rebellen geht, schon. Du glaubst doch nicht, dass die zufrieden sind, falls sie die Orks aus Myrtana werfen. Als nächstes werden sie die Assassinen in Varant vertreiben wollen. Und dann wollen sie bestimmt die Kolonien in Nordmar und auf den Südlichen Inseln zurückerobern. Und dann? Am Ende verfolgen sie die Orks noch in ihre Heimat, um sie endgültig zu besiegen. Diese fanatischen Paladine werden doch keine Ruhe geben, bis sie uns alle zugrunde gerichtet haben oder die ganze Welt ihnen gehört.

Rebellen? Nichts als Banditen.

– Isabella, Schmiedin in Geldern