Herbstspezial – Story

- 21:20

Mehrmals wurde schon nach neuen Infos aus der Storyabteilung gefragt. Das ist nicht ganz einfach. Das Setting – und das ist das, was bei Spielen meist schon im Voraus bekannt gegeben wird – ist bekannt. Alles andere wäre mit teils massiven Spoilern verbunden. Trotzdem oder gerade deswegen habe ich mir mal Gedanken gemacht, wie wir euch zeigen können, dass wir nicht nur schöne Waffenmeshs und Texturen, sondern auch interessante Quests einfügen können, ohne zu viel zu verraten.
Hier nun das Ergebnis meiner Überlegungen (zumindest eines – in nächster Zeit könnte es durchaus noch mehr Infos aus der Storyabteilung geben)

Im Folgenden erläutere ich euch, wie eine Quest entsteht. Natürlich ist das nicht DER Ablauf beim Questschreiben. Es kann auch ganz anders vonstatten gehen. Und ich weiß auch nicht, wie meine Kollegen arbeiten. Gewiss hat jeder seine ganz eigenen Methoden. Dies ist einfach ein kleiner Ausschnitt meiner eigenen Arbeit. Dennoch vermittelt es meiner Ansicht nach einen guten Eindruck von dem, was wir so tun.

Natürlich enthält der Text Spoiler, überlegt euch also zweimal, ob ihr weiterlesen wollt. Ich kann hier aber schon mal Entwarnung geben: Beschrieben werden ein Nebenschauplatz in Montera und eine zugehörige Nebenquest. Ihr verderbt euch also nicht den ganzen Spaß am Projekt, wenn ihr weiterlest.

Das Haus der Sterne – Myrtanas bestes Bordell. Freilich kein Kunststück, wenn man bedenkt, dass es auch das einzige ist. Ein Bordell, das würde enorm zur Atmosphäre betragen, eines in jeder Stadt, das wäre übertrieben – soweit waren wir uns alle einig.

Den Stein hatte Impi ins Rollen gebracht. Er eröffnete einen Thread in unserem internen Forum zum Thema Freudenhaus. Es wurden kurz verschiedene Möglichkeiten und Optionen diskutiert – Eine Dirne, die erzählt, dass die Orks die Bordelle des Landes dicht gemacht haben, um den Mangel zu erklären? Ein Straßenstrich? Ein richtiges Freudenhaus? Zubens Harem in Ishtar ausbauen?
Schnell kristallisierten sich einige brauchbare Ideen heraus. Das Ganze nahm Gestalt an. Wir entschieden uns für Montera. Montera und Geldern, das waren die einzigen Städte in Myrtana, in denen ein Bordell glaubhaft war – Vengard fiel raus, da zerstört. Auch ein Gebäude war schnell gefunden. Direkt neben der Arena. Groß, aber ungenutzt.
Nun ergriff Fenris die Initiative. Unser Mann mit den Ideen. Er fertigte ein grobes Konzept an. Der Name des Bordells. Die Charaktere – Puffmutter Hannah, Lily, Francesca und Charlotte die drei leichten Mädchen, Türsteher Gruntuk. Grob legte er die Charaktereigenschaften der Figuren und die Hintergrundgeschichte des Bordells fest.

Das Ganze ruht nun eine Weile. Anderes ist wichtiger. Aber dann nehme ich mir das Konzept vor und mache mich ans Umsetzen. Zunächst einmal wird Hannah in Bertha umbenannt, um Verwechslungen mit der Hotelbesitzerin aus Gothic 2 zu vermeiden. Ich schaue mir den Bordell-Thread noch mal kurz an. Eine Idee von The Witch-King fällt mir ins Auge, die ich schon ganz vergessen hatte. Auf Basis dieser Idee wird Bruno hinzugefügt, ein armer Hund, der die Zeche geprellt hat und das Geld nun durch Putzdienste abarbeiten darf. Auch eine eigene Idee, die ich schon ganz vergessen hatte, springt mir ins Auge. Dies ist die Geburtstunde Ninas, einer Bewohnerin des Bordells, die sich weigert, ihren Körper zu verkaufen. Zu guter letzt erweitere ich das Personal um Magdalena, ein weiteres Freudenmädchen, das im Wesentlichen dazu dient, die von Fenris erdachte Entstehungsgeschichte des Freudenhauses zu verdichten. Damit sollten es erst mal genug neue NPCs sein. Das Dialogschreiben kann beginnen.

Genaueres zu Bertha, Lily, Francesca, Magdalena, Bruno und Gruntuk soll vorerst nicht verraten werden. Schließlich sollt ihr das Bordell nicht schon auswendig kennen, bevor die Mod erscheint. Wenden wir uns stattdessen Charlotte zu, die im Gegensatz zu ihren Kolleginnen nicht nur Dialoge sondern auch eine Quest zu bieten hat.

Charlotte #1

Charlotte #1

Fenris’ Vorgabe ist knapp gehalten: Ein blondes Mädchen aus der Hauptstadt Vengard, sie floh aus der Stadt als der Hafen dort vollkommen zerstört wurde, da damals auch ihre Familie umkam und sie nichts mehr dort hielt. Sie raucht gerne Kraut um ihren Erinnerungen zu entfliehen, Hannah sorgt sich deswegen um sie. Es sollte die Möglichkeit geben ihr das Zeug auszureden oder für einige Stengel mit ihr zu schlafen.

Soweit so gut. Genug Spielraum für mich. Ich mache mir keine großen Gedanken, sondern fange an, den Dialog zu schreiben. Die Ideen kommen nebenher. Sie raucht also gerne Kraut? Setzen wir sie zunächst an eine Wasserpfeife. Beim Ansprechen fragt sie nach einem Stängel. Den wird der Held ihr geben müssen, um das Gespräch in Gang zu bringen. Doch was heißt Gespräch? Charlotte ist zunächst nicht sehr gesprächig, entscheide ich spontan. Bleibt also nur die Möglichkeit, ein paar schöne Stunden mit ihr zu verbringen. Immerhin ist das ihr Beruf. Hier halte ich mich an die Vorgabe: Die Gute verlangt einen zweiten Stängel. Das Gewissen des Spielers ist gefragt.

Egal, wie man sich entscheidet (um sicherzugehen, DASS man sich entscheidet, lege ich fest, dass man nur die Wahl zwischen Sumpfkraut geben und nicht geben hat – die Ende-Option werden die Scripter an dieser Stelle entfernen müssen), spricht Bertha einen nun an. Sie ist entweder dankbar oder wütend – je nachdem, ob man dem Mädchen den Stängel gegeben hat oder nicht. Nun kann man Bertha nach Charlotte ausfragen. Diese weiß jedoch nicht viel über die Prostituierte. Während sie für die übrigen Mädchen die Ersatzmutter spielt, ist Charlotte ihr gegenüber völlig verschlossen. Und das Sumpfkraut lässt sie sich auch nicht ausreden. Halt! Ich halte kurz inne. Logikfehler müssen auf jeden Fall vermieden werden und da bahnt sich einer an: Was stellt ihr Bertha auch eine Wasserpfeife vor die Nase? Soll sie ihr das Zeug eben wegnehmen! Lange muss ich nicht überlegen. Wir haben schon schwierigere Logikprobleme gelöst – nicht umsonst bittet Charlotte den Helden um einen Sumpfkrautstängel, wenn er mit ihr schlafen will. So einen verlangt sie von jedem Freier. Und die Söldner haben auch immer was dabei. Wegnehmen ist also sinnlos. Weiter im Text.

Ein ordentlicher Held bietet Bertha natürlich seine Hilfe an. Die Quest startet. Das erste wirklich große Problem steht vor der Tür: Irgendwer hatte mal die blöde Idee, dass jede Quest einen Namen haben muss. Für andere nicht weiter problematisch. Meine Stärke ist es jedoch nicht. In einer plötzlichen Eingebung komme ich auf „Nebel des Vergessens“ – schließlich raucht Charlotte das Sumpfkraut, um nicht an den Tod ihrer Familie denken zu müssen. Das ging relativ leicht für meine Verhältnisse. Also weiter.

Charlotte #2

Charlotte #2

Der Held spricht Charlotte nun an. Und schnell erfährt er, was das Problem ist. Wir wissen es mittlerweile alle schon. Charlottes Familie wurde getötet. Ich nehme ein paar Korrekturen an Fenris’ Idee vor. Nein, sie sind nicht beim Angriff auf Vengard gestorben. Sie sind vorher aus der Stadt geflohen und unterwegs von Banditen überfallen worden. Zwei Dinge treiben mich zu dieser Änderung: Die simple Logik – als die Stadt angegriffen wurde, hatte sich der Belagerungsring schon geschlossen; Flucht war nicht unmöglich, aber schwer – und Charlottes Gesinnung. Sie arbeitet in einer Orkstadt. Ihre Kundschaft besteht aus Orksöldnern. Sie hat also offenbar nichts gegen die Besatzer. Da passt es eher, wenn nicht gerade die für den Tod ihrer Familie verantwortlich sind.

Nebenbei erweitere ich das schlichte „Familie“ spontan um einen Verlobten, in den sie unsterblich verliebt war. Das schafft etwas mehr Dramatik und erhöht das Mitgefühl mit Charlotte. „Familie“ ist so unkonkret. Ein Gesichtsloses Etwas, das alles meinen könnte. Genau so etwas sollte man beim Schreiben vermeiden.

Jetzt wird es interessant. Ihr das Zeug ausreden. Soweit, so gut. Dann muss der Held Charlotte eben klar machen, dass ihre Familie das nicht gewollt hätte und dass das Leben weitergeht. Aber das reicht nicht. Charlotte muss erkennen, dass sie in Bertha und ihren Mädchen eine neue Familie gefunden hat. Ich lasse sie ein paar Mal erwähnen, dass niemand ihr Leid verstehen kann. Naheliegend, wenn sie sich in sich selbst zurückzieht und niemandem von ihrem Leid erzählt. Genau das sollte ihr auch der Held klar machen.

Quest gelöst. Aber bis hierhin ist das ziemlich langweilig. Diese Quest besteht nur aus Gesprächen. Das darf es durchaus geben, aber es ist wenig spannend, wenn der Spieler nur ein paar Mal eine Gesprächsoption auswählen

muss, von der klar ist, dass sie zum Ziel führt. Was es braucht, sind unterschiedliche Antwortmöglichkeiten. Die Quest sollte scheitern können. Mir kommt eine erste Idee: Der Held sagt Charlotte, dass es noch immer Menschen gibt, die sich um sie sorgen. Dies glaubt sie ihm aber nur, wenn er ihr anfangs keinen zweiten Stängel für ein paar Stunden trauter Zweisamkeit gegeben hat. Anderenfalls glaubt sie ihm kein Wort, hält ihn für einen Heuchler, weil er ihr erst Kraut gibt und es ihr jetzt ausreden will, und meint, alle Welt wolle sich nur an ihr bereichern. Da wird der eine oder andere Spieler, der sich zu Anfang – immerhin noch vor Start der Quest! – nichts weiter gedacht hat, dumm aus der Wäsche schauen. Zumindest hoffe ich das.

Aber das reicht mir noch nicht. Während des Gesprächs kommen die Erinnerungen in Charlotte wieder hoch. Sie bittet um einen weiteren Stängel, um sich beruhigen zu können. Natürlich scheitert auch in diesem Fall die Quest. Und Bertha wird ziemlich sauer sein. Dafür kann man jetzt unendlich oft mit ihr schlafen – vorausgesetzt, man hat Sumpfkraut dabei.

Damit bin ich eigentlich fertig. Aber mir kommt noch eine letzte Idee: Der Verlobte – ich habe ihn spontan Victor genannt – war gar nicht tot, nur schwer verwundet. Und jetzt sitzt er in einer Kneipe und betrinkt sich. Ich entscheide mich für die von Faring. Das macht Sinn, ist die Burg doch nicht allzu weit von Vengard entfernt. Außerdem ist die dortige Kneipe eh noch etwas leer und kann mehr Leben gebrauchen.
Natürlich erzählt der Held Victor, dass seine große Liebe noch am Leben ist. Aber es wäre zu einfach, die beiden einfach wieder zusammen zu bringen und als glückliches Paar in ein schönes Haus in Geldern ziehen zu lassen. Nein, stattdessen beschließe ich, dass Victor wenig glücklich über den neuen Beruf seiner Verlobten ist und spontan entschließt, nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen. Ihr dies zu erzählen, bricht ihr endgültig das Herz und lässt die Quest ebenfalls scheitern.

Doch halt! Was, wenn die Quest bereits erfolgreich war, Charlotte dem Kraut abgeschworen und sich mit ihren Kolleginnen angefreundet hat? Dann hat sie mit ihrer Vergangenheit abgeschlossen und es ist ihr egal – die Quest soll ja nicht immer mit einer völlig zerstörten Charlotte enden.
Damit wäre das geschafft und ich wende mich dem Rest des Bordells zu. Quest abgeschlossen. JüdeX Ende.

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