Wie ist es denn so, das CSP?

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Viele Jahre Entwicklung und kein Ende in Sicht. Aber wie fühlt sich das CSP überhaupt an? Bringt es wirklich die versprochenen Verbesserungen? Wir haben einen unabhängigen Autor zum Test eingeladen. Lest hier seine ungekürzten Eindrücke aus dem ersten Kapitel des Spiels.

Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude. So auch bei Gothic 3, konnte ich doch mehrere Tage vor dem Release nicht mehr richtig schlafen. Stattdessen wälzte ich mich unruhig im Bett hin- und her oder legte spontan nächtliche Gothic 2-Partien ein, um die Aufregung ein wenig zu dämpfen. Die Vorfreude verschwand genau so schnell wie sie gekommen war, als ich das Resultat auf meinem Bildschirm sah. Eine Unzahl an Bugs wie kaputte Speicherstände, eine rote Spielwelt und plötzliche Abstürze erstickten jeden Spielspaß im Keim, sodass ich Gothic 3 ab 2007 in der Versenkung verschwinden ließ. – Sechs Jahre später wagte ich – angeregt durch die zahlreichen Community-Patches – einen erneuten Versuch und war sehr positiv überrascht, da Gothic 3 mittlerweile wirklich spielbar war. Einen Haken stellte jedoch die nach wie vor schwache und unzusammenhängende Haupthandlung dar, bei der schlichtweg nichts Unvorhergesehenes passiert und die im Gegensatz zu kleineren, kompakten Quests viel zu langatmig ist. Zu Beginn dieses Jahres stieß ich dann auf die Modifikation Community Story Project (CSP), die sich dem Problem der schwachen Hauptstory angenommen hat. Die Entwicklung läuft mittlerweile schon seit einigen Jahren. Ob die Modifikation etwas taugt, soll ein kurzer Test des ersten Kapitels klären. Das fertige Spiel wird dann insgesamt 6 Kapitel umfassen.

Wie im Originalspiel auch, stürzt sich zu Spielbeginn der namenlose Held mit seinen Freunden in den Kampf gegen die Orks in Ardea. Bereits hier fällt die erste Neuerung des CSP auf. Der Held hat wieder seinen markanten Pferdeschwanz, eine wunderbare Idee und ein gutes Beispiel dafür, mit wie viel Liebe zum Detail die Entwickler das alte Gothic-Feeling wieder aufleben lassen. Aber auch in Ardea selbst hat sich vieles getan. Deutlich mehr Einwohner sind zugegen, wobei es nun auch Frauen gibt, die der ganzen Szenerie deutlich mehr Glaubwürdigkeit geben. Mit neuen Sprachfiles aus Gothic 2 entsteht so eine dichtere Atmosphäre als im Hauptspiel. Mit einer neuen Kneipe bietet Ardea so Anreize, vom Spieler auch später noch einmal besucht zu werden.

Um die neue Haupthandlung auszulösen, muss zuerst Lester gefunden werden. Danach wird der Spieler von Gorn nach Reddock gebracht. Auffallend ist hierbei die neue, traditionale Einteilung in Kapitel, so heißt das erste „Die neue Ordnung“. Ein Problem der Mod zeigt sich jedoch bereits hier. Die Dialoge zu Beginn müssen Schritt für Schritt „abgearbeitet“ werden, ansonsten ist die neue Story nicht aktiviert. Dies hat zwar beim Hauptspiel auch nicht problemlos funktioniert, für das CSP sollten hier jedoch noch eindeutigere Hinweise gegeben werden. Wichtig ist an dieser Stelle auch zu bemerken das einem alte Gothic 3 Spielgewohnheiten bei der Fülle an Neuerungen eher im Weg stehen. So sollte man darauf verzichten nach dem Gefecht in Ardea gewohnheitsmäßig loszuziehen um die Orkpatrouillen abzuschlachten.

Im Rebellenlager Reddock bekommt der Spieler sowohl neue als auch alte Spielfiguren mit modifizierten, umfangreicheren Dialogoptionen zu Gesicht. So etwa Marlo, der verrät, dass Reddock vor dem Krieg mit den Orks eine Schmugglerhöhle war. Der Anführer der Schmuggler soll Antonius Reddock geheißen haben. Für das CSP trifft der Spieler hier mit dem Feuermagier Sebastian auf einen Charakter, der zwar schon im Hauptspiel vorhanden war, dort jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielte. In der Mod bringt er jedoch die Hauptgeschichte anfänglich maßgeblich voran. So schickt Sebastian den namenlosen Helden nach Kap Dun, um mehr über einen mysteriösen magischen Gegenstand in Erfahrung zu bringen.

Die Bewohner des Küstenstädtchens wurden ebenfalls überarbeitet, sie bieten dem Spieler nun eine ganze Menge mehr Hintergrundwissen an, etwa über die berühmten Kapkrabben oder den famosen Apfelmost aus Kap Dun, der früher in allen Teilen Myrtanas geschätzt wurde. Gleich zu Beginn am Eingang des Dorfes führt Gamal den Spieler in die Welt der Assassinen ein und stellt die bisher in allen Gothic-Teilen als Selbstverständlichkeit hingestellte Tatsache, dass Innos gut und Beliar schlecht sei, in Frage – ein Punkt, der im Laufe des Spiels immer wieder aufgegriffen werden sollte. Auch wird der Konflikt zwischen Rebellen und Orks näher beleuchtet, wobei auf Schwarz-Weiß-Malerei und Feindbilder verzichtet und die Problematik in ihrer ganzen Ambivalenz offen dargelegt wird. Wie auch im Hauptspiel, muss sich der Spieler Wenzels Inventar von Urkrass besorgen. Hier offenbart sich ein Bug in Form einer fehlenden Dialogoption, mit der der Spieler die Sachen von Wenzel bekommen hätte. Per Cheat kann dieses Problem jedoch behoben werden. Mit den Sachen bei Wenzel angekommen, bittet dieser den Spieler, den Kelch zu Sebastian zu bringen, was eine längere Reihe an Quests nach sich zieht, die den Spieler schließlich nach Montera führt.

Screenshot Freier Kornhof 2 15. Dezember 2012

Dort erwarten den Spieler zahlreiche Veränderungen, die offensichtlichste stellt wohl das Bordell neben der Arena dar. Das bestehende Gebäude wurde mit einer komplett neuen und detailreichen Einrichtung umgestalte. Schrullige Charaktere wie Bertha und Charlotte stellen eine sinnvolle Ergänzung dar. Abzüge gibt es bei den stellenweise klischeehaften Dialogen, eine Ausnahme zu den sonst vorbildlich geschriebenen Texten. Laut den Entwicklern soll man im Verlauf der Geschichte auch starken Frauen begegnen, die sich klar hervorheben. Dass die Welt dennoch deutlich von Männern dominiert wird, kann man den Moddern jedoch nicht zum Vorwurf machen, waren die Geschlechterrollen in der mittelalterlich-frühneuzeitlichen Gesellschaft eben klar abgesteckt. Und an diesen orientiert sich die Gothic-Reihe augenscheinlich sehr stark. Andere neue Charaktere in Montera sind der Schwarzmagier Aram samt neuer Rüstung und zwei an den Kultfilm „Fear and Loathing in Las Vegas“ angelehnte mitsamt den typisch abgedrehten Dialogen: „Hast du die Augen des Wirts gesehen? Ich sage dir, der hat uns belogen!“ Nach zahlreichen weiteren Überraschungen führt einen die Hauptstory schließlich nach Nordmar, dort spielt das zweite Kapitel.

Screenshot Schlucht in Nordmar Schlucht in Nordmar
Canyon in Northmar

Die eben angerissenen Neuerungen hinsichtlich Spielwelt, Figuren und Dialoge machen deutlich, dass das Community Story Project eine gewaltige Umkrempelung des Originalspiels darstellt. Wurden durch die Community-Patches anfangs vor allem Bugs behoben und an der Spielmechanik sowie einzelnen Komfortfunktionen gefeilt, steht nun der letzte Schwachpunkt des Hauptspiels, die Story, im Mittelpunkt. Die Neuerungen des ambitionierten Mammutprojekts fühlen sich von Beginn gut und nicht aufgesetzt an und reihen sich zumeist nahtlos ins Hauptspiel ein. Auch die Ergänzung von umgestalteten Gebäuden, wie das Bordell in Montera, steigern die Atmosphäre. Generell fühlt sich der Spieler in der Mod wie in den ersten beiden Gothic-Spielen, das typische Gothic-Feeling wurde geschickt eingefangen. Das Unterteilen des Spiels in Kapitel, handgeschriebene Tagebucheinträge und eben keine simple Archivierung von Dialogen sowie das Aufzählen von Erfolgen des Spielers durch NPC’s in einzelnen Quests zeugen von der Mühe, die sich die Entwickler gemacht haben.

Es gibt an der Modifikation aber auch Bereiche, die weniger schön sind. Zuallererst müssen hierbei unbedingt technische Bugs und spielerische Unzulänglichkeiten erwähnt werden, die den Spielfluss stören. Das beginnt mit dem holprigen Spielstart, bei dem spezielle Triggerereignisse abgearbeitet werden müssen, damit die Modifikation und die neue Hauptstory erfolgreich starten. Die Reihenfolge erscheint dabei mitunter unlogisch und willkürlich, sodass der Spieler hier schnell in eine Sackgasse geraten kann. Noch schwerer wiegt der Fehler, dass eine Quest vorerst nur per Cheat gelöst werden konnte. Generell ist die Modifikation einfach noch unfertig. So brechen etwa Dialoge unvermittelt ab oder Gesprächsoptionen verschwinden nicht. Auch startete am Ende des zweiten Kapitels ein neues Textfenster, dass nun das erste Kapitel begonnen habe. Die Verwirrung war groß aufgrund der Unklarheit, ob alle Quests und Erfolge nun ebenfalls zurückgesetzt wurden. Man sollt jedoch bedenken, dass das CSP noch nicht einmal das Alpha-Stadium erreicht hat und solche Fehler deshalb noch leicht ausgebessert werden können.

Das Community Story Project ist eine große Herausforderung an die Entwickler. Der Ansatz und die Idee sind beachtenswert und der zum Test bereits beträchtliche Umfang von über 216 neuen Quests, Charakteren und Gebäuden ist gigantisch. Auch die Detailfülle an allen Ecken und Enden und die sehr liebevoll geschriebenen Dialoge sind vorbildlich. Die Hauptstory wirkt im Vergleich zum Originalspiel wie ausgetauscht und motiviert den Spieler durch kleinere Häppchen weiterzuspielen, wobei überraschende Wendungen eintreten und ein roter Faden in jedem Kapitel deutlich wird. Schön auch, dass kleinere Ortschaften wie Ardea kein Nischendasein mehr fristen, sondern auch aktiv nach den ersten Missionen ins Spielgeschehen eingebunden sind. Die Kontextualisierung und weitere Erörterung des Konfliktes zwischen Orks, Rebellen und Assassinen sowie den Göttern Innos und Beliar wirkt sehr glaubwürdig und intensiviert die Atmosphäre deutlich. Auch viele neue Hintergrundinformationen über Städte und Dörfer – allen voran Reddock und Kap Dun – begeistern. An der Dauer der Entwicklungszeit gemessen, scheinen sich die Entwickler des Community Story Project jedoch in ihrer Detailverliebtheit übernommen und gleichzeitig die lückenlose Spielbarkeit aus den Augen verloren zu haben. Vielmehr wirkt die Modifikation sehr partikular, wobei die einzelnen Teile in sich geschlossen gut funktionieren. Allerdings sollten die Übergänge zwischen diesen Bereichen noch etwas flüssiger gestaltet werden. Die Entwicklung scheint vom Kleinen ins Große verlaufen zu sein, eine Erklärung für den langen Entwicklungszeitraum.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass das Community Story Project eine Modifikation ist, die im Moment ähnlich zum Hauptspiel in ihrem Gesamtrahmen etwas zu groß wirkt und sich stellenweise in den Details verliert. Was jetzt zählt ist, dass das Projekt möglichst bald fertiggestellt wird und die strukturellen und technischen Fehler ausgemerzt werden. Geht die Entwicklung in diese Richtung weiter, wird die Modifikation in einem guten Zustand erscheinen und Gothic 3 letztendlich zu dem Spiel macht, dass es sein sollte. Denn Story und Atmosphäre sind bereits jetzt einmalig.

 

HINWEIS: Aus organisatorischen Gründen konnte dieser Test nur mit einer etwa ein Jahr alten Version des CSP durchgeführt werden. Die beschriebenen Bugs wurden in der Zwischenzeit komplett behoben, der Zugang zur Hauptstory erleichtert.

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