24. Dezember 2012

- 4:02

Erinnert ihr euch noch daran, als ihr zum ersten Mal die Hafenstadt Khorinis erforscht habt und unvermuteter Weise ins Labor des leicht beknackten Alchemisten Ignaz gestolpert seid, der euch sogleich einen nicht ganz lupenreinen Auftrag zum Test seines neuentwickelten Zaubers gab? Musstet ihr nicht auch schmunzeln, als euch schließlich der Bandit Miguel in Jharkendar erklärte, warum sein ehemaliger Meister ist, wie er ist? Denkt nur an die Prügelei der beiden Bauernbrüder auf Akils Hof, die euer Botendienst erst möglich machte, oder das Gemunkel über Diebstähle auf dem Markt von Khorinis, die euch schließlich auf die Spur einer versteckten Gilde führten. Der Türsteher, der die Damen des Hauses anpreist, der Freibier zapfende Wirt und sein darüber meckernder Konkurrent. Diese aus weltrettungstechnischer Sicht völlig belanglosen Aspekte machten Gothic 2 zusammen mit dem Addon zu einem mehr als runden Erlebnis, halfen, in den Alltag auf Khorinis einzutauchen und seine Bewohner kennenzulernen. Doch all das ließ Gothic 3 bei seiner Veröffentlichung vermissen. Kaum eine Person sprach mit dem Helden mehr als nötig und allzuviel konnte man nicht über das Leben der Menschen erfahren.

Bis jetzt!

Die Veröffentlichungen von Kurzgeschichten oder Screens diverser Charaktere, von in der Welt zu findenden Schriftstücken und Ähnlichem ließen bereits darauf schließen, dass wir uns auch um diesen Misstand kümmern.
Es ist uns ein Anliegen, den Spieler im CSP auf schrullige, erinnerungswürdige Persönlichkeiten treffen zu lassen, euch durch von NPCs erzählten Anekdoten eine lebendige Welt zu vermitteln, seien es Kriegsgeschichten, Kneipentratsch oder nur die Binsenweisheiten eines myrtanischen Bauern.

Lange Rede, noch viel längerer Sinn: Heute möchten wir das einzige große Teilprojekt des CSP vorstellen, das bisher noch unter Verschluss geblieben ist. Dieses Teilprojekt, das anders als die übrigen nicht von Anfang an geplant war, sondern sich im Laufe unserer Arbeit erst ergab, umfasst mittlerweile gut und gerne ein Drittel unserer inhaltlichen Änderungen an Gothic 3 und ist auch einer der Gründe, weshalb wir noch immer am CSP arbeiten: Die Rede ist von den von uns so genannten Städtekonzepten.

Was habt ihr euch darunter vorzustellen?

Schon im letzten Adventskalender haben wir euch unser neues Ardea vorgestellt. Das Dorf war im ursprünglichen Spiel nur eine Kulisse für die erste Schlacht, in die man nie mehr zurückkehrte und in der es außer Hamlar nur NoName-NPCs gab. Dass wir dies ändern würden, stand schnell fest.

Als wir damit jedoch fertig waren, hatte Ardea sich von der langweiligsten zur atmosphärischsten Siedlung der Gothic 3-Welt gemausert – und zu der einzigen mit einer Frauenquote. Wir hatten das Ungleichgewicht zwischen Ardea und den übrigen Ortschaften nicht beseitigt, sondern umgekehrt.

Deshalb verschaffen wir mit unseren „Städtekonzepten“ nun nach und nach sämtlichen Siedlungen des Festlandes eine Generalüberholung. Im Vordergrund steht dabei stets viererlei: Glaubwürdigkeit, Lore, Individualität und, daraus resultierend, Atmosphäre.

Was genau tun wir auf diesen Gebieten? Das wollen wir euch nun einmal näher erläutern. Und damit das Ganze auch anschaulich ist, tun wir dies am Beispiel des Kap Dun-Konzeptes:

Glaubwürdigkeit:

Wurde bisher nicht gerade groß geschrieben. Die Welt von Gothic 3 ist eine Welt von Kriegern und Sklaven. Frauen fehlen praktisch vollkommen. Nicht ganz so offensichtlich, aber der Atmosphäre ebenfalls abträglich, ist das Fehlen von Bürgern, also Menschen, die zivile Berufe ausüben. Denn was Khorinis seinerzeit so lebendig wirken ließ, war auch, dass es nicht nur Milizen und Paladine gab. Nein, da waren auch die reichen Großhändler der Oberstadt und die fahrenden Händler am Marktplatz, die Handwerker und ihre Lehrlinge, die einfachen Bürger und die Armen des Hafenviertels.

Diese Lebendigkeit wünschen wir uns auch für die Siedlungen Midlands. Und so wird es dank der Städtekonzepte in Myrtana zukünftig nicht nur Sklaven und Orksöldner und in Varant nicht nur Sklaven, Sklavenjäger oder Händler geben.

Kap Dun etwa wird nun von den beiden Fischern Wilgor und Alef versorgt, die tagsüber am Strand unterhalb des Dorfes ihrer Arbeit nachgehen.

 

 

 

 

Nachts schlafen die beiden in ihren Hütten, den beiden bisher unbewohnten Häusern am Dorfeingang, bei denen man tagsüber auch Alefs Mutter Käthe und Wilgors Frau Svestana antrifft.

 

 

 

 

Weitere Frauen sind etwa die Mädchen der Orksöldner, die von diesen oft auf gebrandschatzten Höfen aufgegabelt wurden und sich ihnen aus Abenteuerlust oder, um einen Beschützer zu haben, anschlossen. Die eingesessenen und ehrbaren Bewohner Kap Duns haben für die Söldner, in denen sie Halsabschneider und Verräter sehen, und für ihre Mädchen, die für sie nur Huren sind, meist nicht viel übrig. Zu dieser Abneigung trägt noch bei, dass beide meist nicht von der Küste kommen.

 

 

 

 

Und nicht zu vergessen, hat der Leuchtturm jetzt endlich einen Wärter, der dort mit seiner Frau lebt – oder lebte; wie man sich sicher vorstellen kann, sind beide nicht gerade erbaut darüber, dass die Orks ihre Behausung derzeit als Gefängnis missbrauchen.

 

 

 

 

Lore:

PB war nie für ausgefeilte und durchdachte Lore bekannt und Gothic besaß niemals Dutzende Seiten von Kodexeinträgen, wie manch anderes Rollenspiel. Dennoch gab es immer einige Hintergrundinformationen über die Welt, die man hie und da aufschnappte – wer den Schläfertempel erbaute und warum; wie die drei Lager entstanden und heute geführt werden; wie das Kastensystem von Jharkendar aussah; was es mit Irdorath und den anderen Beschwörungstempeln auf sich hat; etc.

In Gothic 3 fehlen diese fast vollständig. Und die wenige Lore, die das Spiel zu bieten hat, steht oft auch noch im Widerspruch zu der der Vorgänger (Stichwort: Wassermagier). Dem nehmen wir uns an und versuchen, widersprüchliche Informationen in Einklang mit den Vorgängern zu bringen, ohne sie direkt zu verwerfen, und vor allem neue Lore hinzufügen. Mythen und Legenden, die sich vor allem Nordmarer, Waldläufer oder Nomaden erzählen, geschichtliche Hintergründe zu den Siedlungen, die einen vor allem in den myrtanischen und varantener Städten erwarten, Erzählungen über das Kriegsgeschehen oder einfach die Vergangenheit einzelner NPCs – all dies sollen die Städtekonzepte bringen.

Vor den Toren Kap Duns, treffen wir nun nicht länger nur den Jäger Jens, sondern auch seine Frau Hilde, die das kleine Feld neben der gemeinsamen Hütte bestellt. Beide wissen einiges zur Politik der Orks – die Besatzer lassen die Menschen im Allgemeinen zufrieden und versklaven sie nur, wenn sie sich widersetzen – und zu den Banditen der Küste, welche eine ständige Bedrohung sein können, wenn man wie Jens und Hilde außerhalb lebt, zu erzählen.

 

 

 

 

Mehr über den Krieg können einem die Bewohner des Dorfes ebenfalls berichten. Besonders Gerta, die verbitterte Witwe des Milizhauptmanns Morn. Ihr Mann stellte sich den Orks entgegen und wurde dafür ebenso aufgehängt, wie die Paladine, die in Kap Dun stationiert gewesen waren, und die man auf dem Weg zum Leuchtturm noch bewundern kann. Nun pflegt sie sein Grab auf dem kleinen Friedhof und verflucht die übrigen Milizen, die sich ergaben und mit dem Leben davon kamen, wenn auch nur als Sklaven.

 

 

 

 

Individualität:

Die Siedlungen des Festlandes sind leider nur allzu oft gesichtslos und man klappert sie alle nach demselben Muster ab. Stets gilt es, 75% Ruf zu sammeln, um zum Oberork vorgelassen zu werden, stets gibt es einen Untergrundrebellen, den man ans Messer liefern oder unterstützen kann. Weder äußerlich noch inhaltlich gibt es nennenswerte Unterschiede zwischen den Siedlungen.

Nicht so in den Vorgängern: Die drei Lager hoben sich schon durch ihre Farben und die jeweils sehr eigene Architektur deutlich voneinander ab, und in Gothic 2 hatten wir es mit drei Siedlungen zu tun, die sich schon durch ihre Funktion unterschieden: eine Stadt, ein Bauernhof und ein Kloster.

Was aber macht etwa Kap Dun einzigartig? Worin unterscheidet es sich von Ardea außer darin, dass das eine Küstendorf den Orks, das andere den Rebellen gehört?

Die Antwort bringt das Kap Dun-Konzept: Kap Dun ist (oder war zumindest vor dem Krieg) die reichere und bedeutendere der beiden Siedlungen. Hier gab es einen Apfelhain, aus dessen Früchten ein vorzüglicher Most hergestellt wurde, und nur die hiesigen Fischer hatten das Fangrecht auf die berühmten Kapkrabben – beide Delikatessen wurden sogar an den Königshof geliefert, was in Ardea stets für einigen Neid sorgte. Heute aber lassen die Orks den Hain abholzen und die Fischer dürfen nur noch Fisch fangen. Ein Umstand, den besonders der alte Michel beklagt. Einst Großhändler, einer der beiden reichsten Männer der Küste und Arbeitgeber praktisch der gesamten Bevölkerung Kap Duns, ist er nun ruiniert, sein großes Haus wird vom Assassinen Esiel bewohnt und ihm bleibt nichts, als für Ukrass sein ehemals eigenes Lagerhaus zu fegen.

 

 

 

 

Atmosphäre:

Aus all dem soll eine wesentlich lebendigere und atmosphärischere Welt entstehen, als ihr das von Gothic 3 gewohnt seid. Dies ist auch das vordergründige Ziel der Städtekonzepte.

Neue Nebenquests stehen hingegen ausdrücklich nicht im Vordergrund. Sie werden eingebaut, wo sie passen, bleiben jedoch die Ausnahme. Aber keine Angst, die vielen neuen NPCs sind auch nicht dafür da, euch nur vollzulabern, sondern erfüllen durchaus auch praktische Zwecke. So finden sich unter ihnen neue Lehrer und Händler. Und beinahe alle sind, wenn sie auch meist keine eigenen Quests vergeben, in andere eingebunden. Beispielsweise könnte es sich lohnen, Kap Duns Leuchtturmwärter nach den Piraten auszufragen, ein im Zuge der Hauptquest versetzter Söldner möchte irgendwann sein Mädchen nachholen und ein Händler in einer anderen Stadt auf der Suche nach Kundschaft könnte in dem Dorf einen Abnehmer finden…

Zum Abschluss des diesjährigen Adventskalenders sei gesagt, dass es noch immer viel zu tun gibt und ein Ende unserer Arbeit leider noch lange nicht in Sicht ist, dass wir aber nichtsdestotrotz weiterhin Fortschritte machen (auch, da unsere Scripter erst kürzlich Neuzugang willkommenheißen durften; auch weiterhin sind Bewerbungen jedoch gerne gesehen, denn je mehr Scripter wir haben, desto schneller kann die Arbeit der Storyabteilung umgesetzt werden) und vor allem noch immer motiviert sind.

Mit diesem kleinen Statusbericht und in der Hoffnung, euch die Vorweihnachtszeit auch in diesem Jahr durch unseren Kalender versüßt zu haben, wünschen wir euch ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Rutsch ins neue Jahr.

Euer Community Story Team.